Schülerarbeit zum Thema Venedig in der Oberrealschule Aschaffenburg 1954

Kunstpädagogik als Berufung

Gunter Ullrich war nicht nur bildender Künstler, sondern setzte sich auch für die Vermittlung von künstlerischen und kulturhistorischen Inhalten ein. Neben seiner leidenschaftlichen Tätigkeit als Kunstlehrer engagierte er sich auch in der Erwachsenenbildung und begeisterte mehrere Generationen für Kunst und Kultur.

Schüler der Oberrealschule Aschaffenburg im Kunstunterricht bei Gunter Ullrich 1957

Kunstpädagoge an der Oberrealschule Aschaffenburg

Nach seinem erfolgreichen Studium an der Münchner Kunstakademie (1948-1952) zog Gunter Ullrich nach Mainfranken, um dort an der Oberrealschule Aschaffenburg (heutiges Friedrich-Dessauer-Gymnasium) zu unterrichten. Doch zu Beginn gestaltete sich der Unterricht nicht ganz einfach: In einer Zeit, in der sich die Stadt um Wohnungsnot, Wiederaufbau und wirtschaftliche Sorgen kümmern musste, stand der Kunstunterricht nicht im Vordergrund. Zudem zählte an der mathematisch-naturwissenschaftlich ausgerichteten Schule das Fach Kunst nicht zu den Lieblingsfächern der Schüler. Der Kunstunterricht wurde lange Zeit in die letzten Schulstunden verlegt.

Gunter Ullrich änderte mit viel Kreativität und Leidenschaft den Stellenwert des Kunstunterrichts. Mit einfachen und geschickt genutzten Mitteln und Materialien (z.B. Kunstarbeiten aus Papier oder Materialresten) belebte er das Fach Kunst auf's Neue.

Roboterfamilie aus Materialresten der 2. Klasse von 1961

Während manche Lehrer noch der traditionellen Kunstlehre der 1920er und 1930er Jahre anhingen, entwickelte Gunter Ullrich neue Kunstpraktiken und neue Entfaltungsmöglichkeiten für die Kinder. Zudem brachte er seinen Schülern Kunstwerke der Moderne näher, die während der Kriegsjahre u.a. zur Entarteten Kunst zählten.

Gunter Ullrich hatte die „Fähigkeit, als selbst unentwegt Lernender seine künstlerischen Einsichten an die Jugend weiterzugeben, ohne die kreative Individualität des einzelnen einzuengen.“ (Zitat aus dem Jahrbuch 1983/84 des Friedrich-Dessauer-Gymnasiums)

Kunstübung zur Flächengliederung mit Nägeln 1962

Gunter Ullrich ließ die Kinder auch praktisch neue künstlerische Wege gehen: Sie lernten neben figürlicher auch die damals aktuelle ungegenständliche Darstellungsweise kennen. Mit wenigen Formen und Farben sollten sich die Schüler auf ganz innovative Gestaltungsmöglichkeiten einlassen. Ullrich bot den Schülern einen abwechslungsreichen Unterricht, denn es wurde nicht nur gezeichnet und gemalt, sondern auch mit Ton geformt, in Holz geschnitzt, in Linol geschnitten, auf Stoff gestickt oder mit Papier oder Materialresten modelliert.

Wichtig war Ullrich stets, dass die Kinder selbst in direkter Nähe zur Kunst der Stadt kreativ wurden. So ließ er die Schüler z.B. draußen im Schlosshof zeichnen oder ging mit ihnen auf kunsthistorische Erkundungstouren, wie z.B. in der Stiftskirche. Sogar die Stadt selbst wurde bei Projekten durch seine Schulklassen gestaltet: Nach eigens entwickelten Entwürfen durften die Kinder die Unterführungen an der Darmstädter und Großostheimer Straße bemalen.

In den 1970er Jahren wurden die Leistungskurse im Fach Kunst eingeführt und der Lehrplan für die Oberstufen reformiert. Ullrich schaffte es, die Spannweite von künstlerischer Praxis und wissenschaftlicher Auseinandersetzung mit der Kunstgeschichte zu vermitteln. Bei der praktischen Arbeit legte er Wert auf alle Techniken, die von strengem Naturstudium bis zur Abstraktion reichten. Die Schüler lernten die Techniken bekannter Meister durch Kopieren kennen.

Traumstadt aus Pappe 1956 - Schülerarbeiten

Zwischen 1967 und 1980 war Gunter Ullrich aufgrund seines pädagogischen Engagements Bezirksvorsitzender der Kunsterzieher Unterfrankens und wertete im Zuge dessen den Stellenwert des Kunstunterrichts immer weiter auf. 

In seinen dreißig Jahren als Kunstpädagoge war es Ullrich immer wichtig, die Beobachtungsgabe, die Kreativität, das eigenständige Denken und praktische Arbeiten der Schüler zu fördern. 

Er prägte viele Generationen und pflegte auch nach seiner Pension Kontakte zu ehemaligen Schülern oder lud Schulklassen in sein heimisches Atelier ein.

Gunter Ullrich, Porträt einer Schülerin im VHS-Kurs Porträtzeichnung 1964

Gunter Ullrich und die Erwachsenenbildung

Neben seiner Tätigkeit als Kunsterzieher an der Oberrealschule, lag es Gunter Ullrich am Herzen auch die Öffentlichkeit nach dem Zweiten Weltkrieg wieder für die Kunst zu begeistern. Er initiierte ab den 1950er Jahren Kurse bei der Volkshochschule Aschaffenburg, um interessierten Erwachsenen künstlerische Techniken, wie Zeichnen und Malen, näher zu bringen. Auch hier stellte Ullrich die in Aschaffenburg damals noch wenig beachtete Moderne Kunst in den Fokus der künstlerischen Auseinandersetzung.

Gunter Ullrich, Deckblatt zur Loirefahrt des Frankenbunds, 1973

Gunter Ullrich war 35 Jahre lang Vorsitzender des Frankenbundes, einem überregionalen Kulturverein mit kommunalen Gruppierungen zur Stärkung fränkischer Kunst und Kulturgeschichte. Von 1967 bis 2002 begeisterte Ullrich die Mitglieder durch zahlreiche Vorträge zu kulturellen Themen, durch gemeinsame Führungen in regionalen Museen und durch Exkursionen in kulturell bedeutende Städte Frankens (z.B. Bad Wimpfen, Würzburg, Schweinfurt...). Darüber hinaus bot Ullrich auch regelmäßig Reisen ins Ausland an, um beispielsweise die Kunst van Goghs in den Niederlanden zu entdecken oder die Ursprünge Tiepolos in seiner Heimatstadt Venedig zu erkunden. Seine erfolgreichen ehrenamtlichen Aktivitäten im Frankenbund spiegelten sich in der immer größer werdenden Zuhörerschaft und der positiven öffentlichen Wahrnehmung wider. Zur Würdigung seiner Verdienste wurde ihm 2001 der Kulturpreis des Frankenbundes verliehen.

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